Angreifer der Frau, die eine Maske mit Aufschrift SZFE trug: „Ich wollte, dass sie überlegt und nicht mit so einer lumpigen Gemeinschaft solidarisch ist.“

Oszd meg!


Auf dem Korridor zeigte er den Journalisten den Mittelfinger, aber im Gerichtssaal äußerte er seine Meinung über die Ereignisse um ihn herum viel zurückhaltender. Der 37-jähriger Mann, der Ende Februar einen Fahrgast mit einem Messer im Bus 151 im Gesicht verletzt hatte, beantwortete fast alle Fragen und legte ein Geständnis ab. Bence Ó. griff die Frau an, weil sie sich mit den Studierenden und ehemaligen Dozenten der Universität für Theater- und Filmkunst (SZFE) solidarisch erklärte und eine Maske mit Aufschrift Free SZFE trug, was den Mann „sehr irritierte“.

Bence Ó. wurde wegen versuchter schwerer Körperverletzung und Gewalt gegen Mitglied einer Gemeinschaft angeklagt. Er wurde am Freitag in einem beschleunigten Verfahren vor Gericht gestellt und in erster Instanz in beiden Anklagepunkten für schuldig befunden, zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt und für sieben Jahre von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da eine Berufung von dem Staatsanwalt, dem Angeklagten und seinem Verteidiger eingelegt wurde.

Der Fall SZFE hat ein schlechtes Licht auf das Land geworfen

Der 37-jährige Mann hat einen Hochschulabschluss, hatte aber zuvor, wie er sagte, „mir mit allerlei Dummheiten das  Führungszeugnis versaut“, so dass er zuletzt als Hilfsarbeiter auf Baustellen arbeitete. Nach eigener Aussage ist er auch ein „engagierter Regierungsbefürworter, und kein Wendehals“, weswegen er sich sehr beleidigt fühlte, dass der Fall SZFE in der internationalen Presse an die große Glocke gehängt und damit seine Heimat kompromittiert wurde.

„Unzählige Hollywoodstars posten mit dem Schild free SZFE, was erniedrigend war und ein schlechtes Licht auf unser Land warf“, erklärte er.

Er und sein Opfer stiegen morgens meist an der gleichen Haltestelle in Csepel (dem 21. Bezirk in Budapest) in den Bus ein, er hatte „die Dame, die SZFE-Maske trug“ schon früher gemerkt und er war „immer über ihre Maske empört“. Es irritierte ihn so sehr, dass er einen späteren Bus zur Arbeit nahm, damit er zufällig nicht auf sie stößt. Am Morgen des 25. Februar nahmen sie wieder denselben Bus. „An diesem Tag hatte ich von vornherein eine schlechte Laune, ich war aufgeheizt, weil ich über den Tod eines meiner netten Nachbarn erfahren hatte. Ich ging also in Richtung Bushaltestelle, als ich die Dame, die SZFE-Maske trug, erblickte“, sagte er.

Bence Ó. behauptet, dass er der Frau zunächst eine chirurgische Maske habe anbieten wollen, damit sie dann ihre eigene endlich abnimmt. Nicht das Objekt ihrer Sympathie fand er problematisch, er könne sie darum bloß bedauern, sagte er. „Wenn sie nur ein diskretes Badge getragen hätte, wäre ich an ihr vorbeigegangen, aber dadurch, dass sie so eine Maske trug, missbrauchte sie ihr Recht auf freie Meinungsäußerung“, fügte er hinzu.

Der Angeklagte war empört darüber, dass die Frau ihre Meinung im wortwörtlichen Sinne auf dem Gesicht trug. „Wie kann sie es wagen, uns so offen zu provozieren? Man könnte eine diskrete Maske tragen. Man muss anderen seine Meinung nicht aufzwingen. Sie sollte die Empfindlichkeit anderer damit nicht verletzen“, sagte er und erklärte, warum er sich schließlich entschied, der Frau die Maske abzuschneiden.

„Hast du keine Angst, wenn du diese Maske trägst, dass dir früher oder später jemand ins Gesicht schlägt?“

Laut der Aussage von Bence Ó. suchte er minutenlang in seiner Tasche nach der OP-Maske, die er der Frau anbieten wollte. Doch inzwischen ist ihm das Mini-Taschenmesser in die Hände geraten. Dieses Messer hat er zur Selbstverteidigung aufbewahrt, denn „seitdem der Bürgermeister der Opposition András Pikó seine lohnende Tätigkeit im Bezirk ausübt, hat sich die öffentliche Sicherheit verschlechtert, weswegen er bereits mehrmals sogar angegriffen wurde“.

Er zögerte eine Weile, dann drehte er sich zu ihr um und fragte sie: „Hast du keine Angst, wenn du diese Maske trägst, dass dir früher oder später jemand ins Gesicht schlägt?“. Die Frau antwortete bloß „nein“ und hantierte weiter mit dem Handy. Laut Bence Ó. war sein Opfer „total frech und hatte keine Angst“. Schließlich nahm er das Messer mit drohender Absicht vor: „Ich wollte, dass sie überlegt und nicht mit so einer lumpigen Gemeinschaft solidarisch ist“.

Laut der Anklage erklärte er dem Fahrgast durchgehend etwas. Dies ist auch in den Aufnahmen der Onboard-Kamera des Busses zu sehen, die am Freitag während der Anhörung abgespielt wurde. Die eigentliche Auseinandersetzung zwischen den beiden Fahrgästen ist im Video jedoch nicht zu hören. Laut der Anklageschrift und den Zeugenaussagen beschimpfte der Mann die Verletzte ununterbrochen und nannte sie eine Vaterlandsverräterin. „Er sagte, dass sie Glück habe, dass eine Kamera im Bus war, sonst hätte er sie getötet, aber er werde sie verprügeln, nachdem sie aus dem Bus ausgestiegen seien“, sagte Staatsanwalt Zoltán Cserháti.

Schließlich schnitt er ihr in ihrer unmittelbaren Nähe mit einer entschlossenen Bewegung mit dem Messer ins Gesicht. Da er sich in einem „nervösen Zustand“ befand, konnte er sich bei der Verhandlung nicht genau daran erinnern, was er mit dem Messer gemacht hatte, aber er behauptete überzeugt, dass er sein Opfer nicht verletzen wollte. Er würde nie jemanden verletzen, bloß weil man eine Ansicht vertritt, die ihm nicht gefällt. Er wollte nur das Band ihrer Maske mit einem Messer, das auch seiner Meinung nach sehr scharf und spitz war, abschneiden.

Ich war so schockiert, dass ich keine Angst mehr hatte

Auch die Aussage des Opfers wurde vor dem Gericht erörtert, die die Schilderung des Angriffes dort begann, als Bence Ó. auf sie verbal losging. Sie sagte, dass sie sah, dass sie ihm keine beruhigende Antwort hätte geben können. „Ich war ratlos, ich dachte, ihm nichts zu sagen ist auch keine gute Lösung“.

Die Frau erinnert sich daran, dass der Mann einen Schritt einmal weg von ihr und dann wieder zu ihr  machte und  dabei gespannt wirkte. Er sprach ununterbrochen zu ihr, aber sie reagierte nicht immer. „Das nächste, worauf ich reagierte, war das Wort Vaterlandsverräterin. Ich fragte zurück: »Vaterlandsverräterin?« , und ich sah ihn an“, erzählte die Verletzte, die in dem Moment auffasste, dass die ganze Geschichte nur um ihre Maske ging.

„Das nächste, was ich spürte, war ein Schlag in die linke Wange. Ich drehte mich zur Seite und dann sah ich, dass er ein Messer in der Hand hatte. Da wurde mir klar, dass er mich mit dem Messer verletzt hatte. Ich war in diesem Moment so schockiert, dass ich keine Angst mehr hatte“, ezählte die Frau.

Sie nahm ihre Maske ab und spürte, dass ihr Gesicht blutete. Doch keiner der Fahrgäste kam zu ihr, um ihr zu helfen, alle drängten in Richtung Fahrerkabine, um den Bus anzuhalten. Auch Bence Ó., der schließlich bei der ersten Tür ausstieg und entfloh.

In der Verhandlung entschuldigte sich der Mann bei der Frau, die sagte, dass sie die Entschuldigung akzeptiere und sie ihr „viel bedeutet“. In der Sitzungspause erzählte die Frau dem ungarischen Nachrichtenportal Telex, dass die Polizei die SZFE-Maske in Beschlag genommen und sie noch keine andere besorgt habe. Da sie die durch die Maske verursachten Spannungen sehe, würde sie wahrscheinlich in der Zukunft solch eine Maske nicht tragen. „Ich möchte eher, dass das Ganze vorbei ist“, sagte sie.

Impulsiv, explosiv und aggressiv

Dies ist nicht das erste Strafverfahren des Mannes. Er wurde früher wegen Diebstahls und Raufhandel rechtskräftig verurteilt und es ist derzeit ein weiteres Strafverfahren gegen ihn anhängig. Am 18. April 2019 griff er MSZP[1]-Aktivisten an, die in Budapest auf dem Móricz-Zsigmond-Platz Unterschriften sammelten. Die Staatsanwaltschaft erhob im Sommer 2019 Anklage gegen ihn und ordnete den Vollzug der Freiheitsstrafe an. In erster Instanz wurde er jedoch zu Geldstrafe und gemeinnütziger Arbeit verurteilt. Gegen das Urteil legte die Staatsanwaltschaft Berufung ein und das zweitinstanzliche Verfahren ist gegen ihn noch anhängig.

Nach dem Anschlag wurde der Mann von einem forensischen Sachverständigen untersucht, der feststellte, dass Bence Ó. „an keiner Bewusstseinsstörung, Geisteskrankheit oder Demenzerkrankung leidet“. „Ein disharmonisches, psychopathisches Individuum, das anfällig für impulsives, explosives und aggressives Verhalten ist, und durch Verantwortungsabwehr und moralische Probleme gekennzeichnet ist“.

„Seine Persönlichkeitsstörung bedeutet jedoch keinen einschränkenden Faktor“. Er war auch zum Zeitpunkt des Angriffs zurechnungsfähig, lies Katalin Sebestyén die Gerichtsvorsitzende das Gutachten vor.

Es wurde als mildernder Umstand gewertet, dass der Mann die Tat teilweise gestanden, seine Taten bereut hat und eine seiner Taten im Versuchsstadium geblieben ist.

Als Erschwerungsgründe gelten nicht nur, dass Bence Ó. mehrfach vorbestraft ist, sondern auch, dass die früher verhängten Freiheitsstrafen, die aufgehoben worden sind, und ein gegen ihn laufendes Strafverfahren wegen eines ähnlichen Verbrechens, ihn nicht vom Angriff abhielten.

 

Übersetzung: Katalin Csik

Revision: Izabella Nyári

Quelle: https://telex.hu/belfold/2021/04/23/szfe-maszkos-tamado-targyalas